von Lara und Pauline
Von Juni bis August dieses Jahres waren wir in Kenia in der Nähe des Viktoriasees in dem kleinen Dorf Wimagak. Dort befindet sich die Schule „Sare Silver Springs School“, eine Primary School, die 2013 mit Hilfe des Lübecker Vereins „Wape Nafasi“ gegründet und aufgebaut wurde. Für 8 Wochen wollten wir dortbleiben, die Schule kennenlernen und mehr über die Traditionen, die Kultur und Lebensweise der Kenianer erfahren.
Aufmerksam auf das Projekt wurden wir beide am Weihnachtsbasar im Katharineum. Wir hatten noch keinen Plan für die Zeit nach dem Abitur und hatten große Lust, aber auch viel Respekt davor, uns dem Abenteuer in Kenia zu stellen.
Direkt nach dem Abiball ging es dann los und wir machten uns auf den Weg nach Nairobi. Dort kamen wir bei einer sehr netten Familie unter, die etwas außerhalb der Stadt in einer Wellblechhütte lebt. Mit großer Gastfreundschaft wurden wir empfangen und bekamen trotz des geringen Wohnraumes ein eigenes Zimmer, in dem nur wir beide zusammen mit einem Huhn übernachten durften. Die restliche Familie teilte sich einen zweiten Raum. Nach diesem Zwischenstopp in der kenianischen Hauptstadt machten wir uns dann mit dem Bus acht Stunden auf den Weg Richtung Viktoriasee.
Die Busfahrt ging durch wunderschöne Gebirge und wir bekamen einen ersten Eindruck von der Vielfältigkeit und Schönheit Kenias. Vorbei an tollen Wäldern und Steppen, kamen wir Wimagak und unserer Zeit in dem Dorf immer näher.
Unser Aufenthalt begann jedoch sehr viel aufregender als erwartet. Als wir aus dem Bus ausstiegen, wurden wir nicht wie geplant abgeholt. So warteten wir auf dem Markt, aufgrund der schweren Koffer blieb uns auch gar nichts anderes übrig, und wurden von allen Seiten beäugt. Das war für uns eine sehr unangenehme Situation, zumal wir noch gar nicht mit der kenianischen Kultur vertraut waren. Nach zwei Stunden hatte das Warten dann zum Glück ein Ende und wir fuhren mit dem Motorrad-Taxi gemeinsam mit Annette nach Wimagak.
In Wimagak liegen die Häuser weit voneinander entfernt, jede Familie versorgt sich selbst mit Solarstrom und verwendet zum Trinken, Kochen, Duschen und Waschen Regenwasser. Nahrungsmittel kommen meistens aus dem eigenen Garten oder werden in Oyugis, der nächstgrößeren Stadt, auf dem Markt gekauft. Annette hat uns eine sehr schöne Unterkunft im Dorf organisiert. In diesem Haus wohnten wir für die nächsten 8 Wochen:
Nach einer sehr turbulenten Anfangszeit lebten wir uns gut in Wimagak ein, lernten die Schule und die Kinder kennen und fanden immer mehr Anschluss im Dorf. Wir waren fast jeden Tag an der Schule, spielten mit den Kindern in den Pausen und schauten den Lehrern mit großem Interesse beim Unterrichten zu. Da wir keine feste Aufgabe hatten, starteten wir unter anderem ein Zahnputzprojekt. Dafür kauften wir die Zahnbürstenvorräte in allen Supermärkten der nahegelegenen Stadt Oyugis auf, denn die meisten Familien haben kein Geld für Zahnbürsten. Auf dem Schulhof putzten wir dann alle zusammen die Zähne, was den Kindern einen riesen Spaß gemacht hat.
Besonders spannend war es, sich mit den älteren Schülern der 7. und 8. Klasse über die Unterschiede zwischen Kenia und Deutschland auszutauschen. Wir diskutierten ganze Schulstunden und lernten somit nicht nur viel über die Kultur und Geschichte Kenias, sondern wurden auch mit den Denkweisen und Weltansichten der Jugendlichen vertraut.
Die Bewohner von Wimagak gehören der Religionsgemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten an. Sie leben vorwiegend nach dem Alten Testament und der Kirchgang am Samstag nimmt einen wichtigen Stellenwert für die Familien ein. Bibelstunde und Gottesdienst sind auf Kisuaheli und dauern insgesamt vier Stunden. Nach dem freien Samstag ist sonntags Waschtag. Die Wäsche wird mit Hand gewaschen und zum Trocknen über Büsche in die Sonne gelegt. Auch wir hielten uns meist an diesen Wochenrhythmus, unternahmen an einigen Wochenenden aber auch Ausflüge und besuchten beispielsweise Sponsorenschüler, für die der Verein die Schulkosten übernimmt. Somit bekamen wir viele spannende Einblicke in ganz unterschiedliche Familien und Familiensituationen. Ein Höhepunkt war für uns auch der Besuch des nahegelegenen Nationalparks Ruma mit Everline und ihrer Tochter.
Die afrikanische Lebensweise wurde uns immer vertrauter und wir gingen zunehmend gelassener damit um, die Tage nicht planen zu können. So konnte es sein, dass wir überraschend Besuch bekamen, spontan zum Essen eingeladen wurden oder plötzlich nicht mehr in unser Haus kamen, da es mit einem neuen Schloss abgeschlossen wurde. Wir gewöhnten uns daran, dass man Uhrzeiten nicht ernst nehmen darf und die Kenianer grundsätzlich mindestens eine Stunde später als vereinbart zum Treffpunkt kommen.
Leider bekamen wir aber auch einen Einblick in die unschöne Seite des Dorf- bzw. Schullebens. An einem Schultag sahen wir, wie ein kleiner Junge im Lehrerzimmer mit einem Stock geschlagen wurde. Doch es kam noch schlimmer. Nur wenige Tage später mussten sich zwei Schülerinnen und ein Schüler aus der 7. und 8. Klasse bei einer Morgenversammlung auf den Schulhof legen und haben öffentlich vor den Augen aller Schüler und Lehrer vom Schulleiter mehrere sehr heftige Stockschlägen auf den Po bekommen. Der Grund war, dass sie angeblich Beziehungen zum jeweils anderen Geschlecht hatten, die über das gemeinsame Lernen hinausgingen. Mit solch einer Brutalität hatten wir an der Schule nicht gerechnet! Wir waren geschockt und hatten im Nachhinein Schuldgefühle, nicht eingegriffen zu haben. Die Situation überforderte uns, da wir nicht wussten, wie wir mit dem Erlebten umgehen sollten und wir fühlten uns sehr alleine gelassen. Wir versuchten mit den Leuten zu diskutieren und suchten den Austausch mit den Schülern, deren Meinung uns dazu natürlich sehr interessierte. Auch wenn die meisten Schüler sich dezidiert gegen das Schlagen ausgesprochen haben, wurde doch deutlich, dass das Schlagen im kenianischen Schulsystem nach wie vor zum Alltag gehört. Als wir Mr. Ouso, den kenianischen Chairman des Vereins, aufsuchten, war er sehr schockiert über unsere Erzählungen. Er wusste nicht, dass an der von ihm unterstützten Schule die Schüler in derartiger Weise gedemütigt und gezüchtigt werden. Das offene Gespräch mit ihm hat uns sehr geholfen! Gemeinsam überlegten wir, welche Veränderungen an der Schule vorgenommen werden könnten. Neben neuen Verträgen für die Lehrer, in denen das Schlagen an der Schule ausdrücklich verboten wird, wird er eine „Suggestion Box“ aufhängen. Dort können sowohl Schüler als auch Lehrer Vorfälle ähnlicher Art anonym melden.
Zum Glück konnten wir uns in den nächsten Tagen durch die Lebensfreude der Kinder wieder auf andere Dinge konzentrieren. Schon bald war die Schulzeit vorbei und mit den Winterferien begannen auch unsere zwei letzten Wochen im Dorf. Da wir uns noch nicht von den Kindern aus der Schule verabschieden wollten, boten wir ein Ferienprogramm an. Zunächst hatten wir die Idee gemeinsam ein Theaterstück auf die Beine zu stellen, aber die Kinder kamen täglich zu so unterschiedlichen Zeiten, dass an proben nicht zu denken war. So spielten wir zusammen Handball, Fußball oder andere Spiele und hatten alle viel Spaß. Durch das Ferienprogramm erlebten wir die Kinder noch einmal sehr viel ausgelassener. Es war schön zu sehen, wie sie gemeinsam im Fluss baden gingen, mit ihren Freunden spielten und tanzten. Fast immer kamen später noch mehrere Kinder mit zu uns nach Hause, wo sie uns im Garten neue Spiele beibrachten.
Schließlich waren die 8 Wochen vorbei und wir mussten uns von Wimagak verabschieden. Wir wären beide gerne länger geblieben, da uns viele Menschen sehr ans Herz gewachsen sind und wir hoffen auf ein Wiedersehen! Es war toll die kenianische Lebensweise und Kultur kennenzulernen, gleichzeitig hat sich auch unsere Sicht auf Deutschland verändert.
Mit Mr. Ouso sind wir nach wie vor in Kontakt. Auch ihm ist es ein Anliegen, dass zukünftig an der Schule nicht mehr geschlagen wird. Er wird uns sicher über die Veränderungen in Wimagak informieren. Die Schule ermöglicht den Kindern nicht nur Zukunftschancen, sondern sichert ihnen auch zwei Mahlzeiten am Tag. Daher halten wir es auch weiterhin für sehr wichtig, die Schule finanziell zu unterstützen!